Außergerichtliche Streitbeilegung: Wie funktioniert eine Schlichtung?
Von: Referat 32 - Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz
In diesem Beitrag finden Sie
- Was ist außergerichtliche Streitschlichtung?
- Was regelt das Verbraucherstreitbeilegungsgestz (VSBG)?
- Welche Vorteile hat die außergerichtliche Streitschlichtung?
- Wie funktioniert eine Schlichtung?
- Droht während der Schlichtung die Verjährung?
- Was ist bei der Anrufung einer Schlichtungsstelle grundsätzlich zu beachten?
- Gibt es Besonderheiten bei grenzüberschreitenden Streitfällen?
- Schlichtungsstellen
Was ist außergerichtliche Streitschlichtung?
Die außergerichtliche Streitschlichtung ist eine Form der Rechtsdurchsetzung.
Die Schlichtungsstellen prüfen aufgrund einer für jedermann einsehbaren Verfahrensordnung konkrete Streitfälle aus verschiedenen Lebensbereichen und geben nach Anhörung aller Beteiligter eine Empfehlung ab. Damit ist es für den Verbraucher möglich, Streitigkeiten schnell, unbürokratisch und kostengünstig aus der Welt zu schaffen, ohne dass er vor die staatlichen Gerichte ziehen muss.
Bei bestimmten Streitigkeiten ist vor der Erhebung einer Klage zum Amtsgericht die Durchführung einer Schlichtung gesetzlich vorgeschrieben (sog. obligatorische Schlichtung). Sie können in diesen Fällen einen Prozess nur dann beginnen, wenn Sie nachweisen können, dass ein Schlichtungsverfahren erfolglos durchgeführt wurde. Das gilt zum Beispiel für bestimmte nachbarrechtliche Streitigkeiten.
Was regelt das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG)?
Seit dem 1. April 2016 gibt es für die Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten einen gesetzlichen Rahmen. Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) regelt die Anforderungen an die Organisation, Unabhängigkeit, Qualifikation und Verfahrensgestaltung für Schlichtungsstellen, die sich als sog. Verbraucherschlichtungsstellen vom Bundesamt der Justiz anerkennen lassen. Den Unternehmen ist zwar freigestellt, ob sie an einer Schlichtung teilnehmen, jedoch verpflichtet das VSBG Unternehmen mit mehr als 10 Beschäftigten dazu, vorvertraglich anzugeben, ob sie zur Teilnahme an einer Schlichtung bereit sind. Im Streitfall muss jeder Unternehmer dem Verbraucher mitteilen, ob er zur Schlichtung bereit und welche Verbraucherschlichtungsstelle zuständig ist. Neben dem VSBG gibt es Spezialvorschriften, die Anforderungen für branchenbezogene Verbraucherschlichtungsstellen beispielsweise in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Versicherungen, Flugreisen, Rechtsanwaltsdienstleistungen oder Energieversorgung enthalten.
Wichtig zu wissen ist, dass das VSBG und die spezialgesetzlichen Regelungen nur für Verbraucherschlichtungsstellen gelten, die als solche anerkannt sind und diese Bezeichnung tragen. Für sonstige Schlichtungsstellen gelten die gesetzlichen Regelungen nicht.
Welche Vorteile hat die außergerichtliche Streitschlichtung?
Grundsätzlich bietet die außergerichtliche Streitschlichtung für den Verbraucher ganz erhebliche Vorteile:
- Für den Verbraucher entstehen in der Regel keine Kosten, während er bei einer Klage vor einem Gericht zunächst immer einen Kostenvorschuss zahlen müsste. Das Verfahren bei einer anerkannten Verbraucherschlichtungsstelle ist nach § 23 VSBG für den Verbraucher kostenfrei, wobei er allerdings die Kosten einer anwaltlichen Beratung möglicherweise selbst tragen muss.
Wenn Sie sich bei der Schlichtung durch einen Rechtsanwalt beraten lassen wollen und die hierfür notwendigen finanziellen Mittel nicht aufbringen können, können Sie unter bestimmten Voraussetzungen staatliche Leistungen nach den Grundsätzen der Beratungshilfe in Anspruch nehmen. Hierzu ist ein Antrag bei dem für Sie zuständigen Amtsgericht erforderlich. - Der Schlichter ist ein neutraler Dritter und ein Spezialist mit Erfahrung auf dem Gebiet der Schlichtungsstelle.
- Die Streitschlichtung kann einen erheblichen Zeitvorteil bieten, weil es grundsätzlich keine festen Termine und keine formalisierte, zeitintensive Beweisaufnahme vor der Schlichtungsstelle gibt. Eine anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle muss nach Anhörung der Parteien und Klärung des Sachverhalts grundsätzlich binnen 90 Tagen einen Schlichtungsvorschlag vorlegen.
- Aber auch wenn es länger dauern sollte, muss der Verbraucher nicht befürchten, dass seine Ansprüche verjähren.
Denn lässt sich die andere Seite auf das Schlichtungsverfahren ein, dann wird die Verjährung nach § 203 BGB gehemmt; wird eine anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle angerufen und wird der Schlichtungsantrag ggf. nach einer Vorprüfung seiner Zulässigkeit dem Unternehmer bekannt gegeben, tritt Verjährungshemmung grundsätzlich unabhängig von der Teilnahmebereitschaft des Unternehmers ein (s. auch "Droht die Verjährung?").
- Sofern keine Einigung zustande kommt, behält der Verbraucher auch bei einer für ihn ungünstigen Entscheidung der Schlichtungsstelle das Recht, vor Gericht zu ziehen.
- Die einvernehmliche Erledigung trägt zum Rechtsfrieden bei.
Immer wieder ist zu beobachten, dass vor Gericht gar nicht der konkrete Rechtsstreit, sondern Auseinandersetzungen, die das persönliche Verhältnis der Parteien zueinander betreffen, im Vordergrund stehen. Da kann es hilfreich sein, das Recht nicht in einem gerichtlichen Urteil, sondern in einer gemeinsamen Vereinbarung zu suchen, die in die Zukunft wirken und zu einer endgültigen Befriedung beitragen kann.
Außerdem kann auf diese Weise vermieden werden, dass private und/oder geschäftliche Geheimnisse an die Öffentlichkeit getragen werden.
Wie funktioniert eine Schlichtung?
Die Schlichtungsstellen gehen nach unterschiedlichen Verfahrensordnungen vor. Über die Verfahrensordnungen können Sie sich bei der jeweiligen Institution informieren (s. VIS-Artikel Schlichtungsstellen).
Dabei ist vor allem wesentlich, dass der Schlichter hinsichtlich seiner Entscheidung und Vorschläge unabhängig und unparteiisch ist. Häufig ist der Schlichter ausgebildeter Volljurist.
In einigen Fällen gibt es nicht öffentliche Verhandlungen vor der Schlichtungsstelle; oft werden die Verfahren jedoch rein schriftlich geführt. Dabei erhalten die Betroffenen Gelegenheit zur Schilderung des Sachverhalts aus ihrer Sicht.
Es findet jedenfalls keine aufwändige Beweisaufnahme statt. Jedoch können, sofern die Verfahrensordnung dies zulässt, ggf. Zeugen oder Sachverständige, die von den Parteien auf deren Kosten mitgebracht werden, gehört und Beweisgegenstände in Augenschein genommen werden.
Voraussetzung für ein Schlichtungsverfahren
ist regelmäßig, dass sich die Parteien zuvor erfolglos um eine Einigung bemüht haben.
Ziel des Schlichtungsverfahrens ist es,
eine gütliche Einigung der Parteien zu erreichen. Der Schlichter wird hierzu Vorschläge unterbreiten, die Sachlage mit den Parteien erörtern und eine für beide Parteien akzeptable Lösung des Streits zu erreichen versuchen. Eine erfolgreiche Schlichtung endet dann mit einer einvernehmlichen Lösung, z.B. einem frei ausgehandelten Vergleich oder einem Vorschlag des Schlichters, der von den Parteien akzeptiert und befolgt wird. Denkbar und vom VSBG ausdrücklich zugelassen ist auch ein Mediationsverfahren, bei dem die Parteien selbst unter Vermittlung des Mediators eine Lösung für ihren Konflikt entwickeln.
Ansonsten wird das Scheitern der Schlichtung festgestellt.
Droht während der Schlichtung die Verjährung?
Diese Frage lässt sich leider nicht ganz einfach beantworten.
Grundsätzlich gilt: Bereits schwebende Verhandlungen zwischen den Parteien hemmen - unabhängig von einem Schlichtungsverfahren - die Verjährung, halten also die Uhr an.
Ist der Unternehmer bei Erfolglosigkeit der Verhandlungen zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren bereit, setzt sich die Hemmung der Verjährung im Schlichtungsverfahren fort.
Wird eine anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle oder eine von der Justizverwaltung eingerichtete oder anerkannte Gütestelle angerufen, wird die Verjährung mit der Bekanntgabe des Schlichtungsantrags an den Streitgegner gehemmt (rückwirkend zum Zeitpunkt des Antragseingangs); dies gilt im Grundsatz unabhängig davon, ob sich der Streitgegner tatsächlich am Schlichtungsverfahren beteiligt.
Die Verjährungshemmung endet sechs Monate nach Verfahrensbeendigung, wirkt also über das Schlichtungsverfahren hinaus fort.
Allerdings ist zu beachten, dass die Verbraucherschlichtungsstelle z.B. im Falle ihrer Unzuständigkeit den Schlichtungsantrag ohne Bekanntgabe an den Unternehmer als unzulässig ablehnen kann mit der Folge, dass die Verjährung nicht gehemmt wird. Auf Grund der Rechtsprechung des BGH (BGH IV ZR 526/14 vom 18. Oktober 2015) kann im Einzelfall unter Umständen die Berufung auf die Verjährungshemmung nach Treu und Glauben verwehrt sein, wenn der Streitgegner unmissverständlich erklärt hat, an der Schlichtung nicht teilnehmen zu wollen.
Was ist bei der Anrufung einer Schlichtungsstelle grundsätzlich zu beachten?
Zuständigkeit
Zunächst sollten Verbraucher sich informieren, welche Schlichtungsstelle für ihre Streitigkeit zuständig ist. Für viele Bereiche bestehen spezielle Verbraucherschlichtungsstellen, die zum großen Teil auf Grund besonderer gesetzlicher Vorschriften eingerichtet wurden und bei denen im Regelfall von einer Teilnahme der Unternehmer ausgegangen werden kann (z.B. Banken, Versicherungen, Rechtsanwälte, Energieversorgung, Flugreisen, Bahn, Fernbus). Sofern die Angelegenheit nicht in die Zuständigkeit einer branchenbezogenen Verbraucherschlichtungsstelle fällt, kann die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle angerufen werden (z.B. bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Kauf mangelhafter Waren im stationären Einzelhandel). Eine Übersicht über die anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen finden Sie hier . Informationen zur zuständigen Verbraucherschlichtungsstelle sollten sich regelmäßig auch auf der Internetseite und den AGB des Unternehmers finden; im Streitfall muss der Unternehmer über die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle noch einmal gesondert informieren.
Neben den anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen bestehen vor allem in einzelnen Handwerksbereichen Schlichtungsstellen der Innungen, für die die gesetzlichen Anforderungen des VSBG nicht gelten. Als Verbraucher haben Sie damit die Wahl zwischen der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle und einer spezielleren Schlichtungsstelle. Zumindest dann, wenn der Unternehmer Mitglied der Innung ist, kann es mit Blick auf die Teilnahmebereitschaft des Unternehmers und die Sachkunde vorteilhaft sein, sich zunächst an die speziellere Schlichtungsstelle zu wenden. Dies gilt im Übrigen auch für die von einzelnen Ländern geförderte Schlichtungsstelle für Online-Verträge.
Form
Wer ein Schlichtungsverfahren durchführen möchte, muss einen Antrag stellen, der Namen und Anschriften der Parteien, eine kurze Darstellung der Streitsache sowie die Angabe, was Sie erreichen möchten, enthalten sollte.
Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist bei anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen nicht vorgeschrieben; auch bei sonstigen Schlichtungsstellen besteht üblicherweise kein Anwaltszwang.
Eine Einschaltung kann jedoch eine erste rechtliche Einschätzung des Falles bringen und helfen, den Sachverhalt und seine Ansprüche strukturiert darzulegen.
Generell empfiehlt es sich allerdings, sich auf der Homepage der jeweiligen Schlichtungsstelle zu informieren. Oft werden dort Formulare bereitgestellt, die die Abfassung des Schlichtungsantrags erleichtern.
Notwendige Mitwirkung der Gegenseite
Schlichtung beruht auf dem Prinzip der Freiwilligkeit.
Viele Unternehmen beteiligen sich bereits bei den Schlichtungsstellen ihrer Branche und akzeptieren die Schlichtersprüche.
Jedoch gibt es auch Unternehmen, die nicht mitwirken und nicht auf Schreiben der Schlichtungsstelle reagieren. In diesen Fällen muss der Verbraucher hinnehmen, dass die Schlichtungsstelle die Schlichtung abbricht oder zwar einen Schlichterspruch zu seinen Gunsten erlässt, der aber dennoch nicht von der Gegenseite erfüllt wird. Dann muss gegebenenfalls doch noch der Weg zu den staatlichen Gerichten beschritten werden.
Auf der Internetseite und in den AGB sollten Sie bei Unternehmen mit mehr als 10 Beschäftigten bereits vor Vertragsschluss erkennen können, ob diese zur Teilnahme an einer Schlichtung bereit sind. Spätestens im konkreten Streitfall muss jeder Unternehmer den Verbraucher informieren, ob er an einer Schlichtung teilnehmen will oder nicht. Einige Unternehmen haben zwar standardmäßig in ihren AGB eine Teilnahme an der Schlichtung ausgeschlossen, sind jedoch im Einzelfall bereit, dennoch an der Schlichtung teilzunehmen. Daher kann sich ein Versuch vor allem dann lohnen, wenn die Schlichtung wie im Falle des Online-Schlichters auch für den Unternehmer kostenfrei ist.
Gibt es Besonderheiten bei grenzüberschreitenden Streitfällen?
Bei einem Streit mit einem Unternehmen aus einem anderen europäischen Mitgliedstaat können sich Verbraucher an das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland wenden.
Es bietet nicht nur kostenlose Informationen zu Verbraucherschutzregelungen im In- und Ausland, sondern auch Beratung zu den mehr als 400 europaweiten Schlichtungsstellen, die bestimmte von der Europäischen Kommission aufgestellten Standards erfüllen.
Sollte es keine passende Schlichtungsstelle für Ihren Fall geben, nimmt das Verbraucherzentrum in geeigneten Fällen auch direkt Kontakt zum jeweiligen Gegner auf.
Schlichtungsstellen
Außergerichtliche Streitschlichtungsstellen existieren unter den verschiedensten Bezeichnungen wie z.B. Gütestelle, Schlichtungsstelle, Schiedsstelle oder Ombudsmann. Jedoch gibt es entsprechende Einrichtungen noch nicht für alle Branchen. Die wichtigsten Schlichtungsstellen finden Sie im VIS-Artikel "Schlichtungsstellen".
Bildnachweis: © Jürgen Fälchle - Fotolia.com
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Sollten noch Fragen zu Ihrem konkreten Sachverhalt verbleiben, wenden Sie sich bitte an die unter Service genannten Anlaufstellen.
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